CDU Potsdam Innenstadt Nord

Sind Aktivisten (bessere) Politiker??

Aktivisten und Adbusting: Sind Aktivisten Politiker?

PNN 10.Januar 2023: Nach kontroverser Plakataktion: Hans Otto Theater diskutiert mit CDU

Darf die Intendantin des Hans-Otto-Theater, also die Geschäftsführerin eines städtischen Unternehmens unter den hochethischen Zielen der Kultur Rechtsbruch dulden? Oder müssen wir bei Kultur ein Auge zudrücken, und Rechtsbruch zugunsten der Kultur relativieren? 

Adbusting: Das HOT Plakat für Adbusting: Das HOT Plakat für "Die Schmutzigen Hände" von Jean-Paul Sartre wurde von Aktivisten der Gruppe "Stadt für Alle" überklebt. (Foto Quelle: Artifa 01.12.2022, twitter)

Ausgangspunkt war unser Störempfinden, dass die Intendantin des Hans-Otto-Theater die Adbusting Aktion vom 1. Dezember der Gruppe „Stadt für Alle“ medial unterstützte oder duldete. Hier bewegen uns aus kommunalpolitischer Betrachtung folgende beiden Störgrößen:

Erstens: Das Überkleben der HOT-Plakate mit eigenen (Werbe-) Botschaften „Rechte Wallfahrtsorte verhindern“ und „Rechenzentrum erhalten“ verletzt HOT-Urheberrechte (Gestaltung der Überklebung in Schrifttype, Farbe und Logo täuschend dem HOT-Erscheinungsbild ähnlich) und birgt einen Vermögensschaden (HOT hat die Werbefläche gebucht und bezahlt, sie wurde von anderen „kostenlos“ genutzt). Das Adbusting hat geltendes Recht verletzt, auch wenn das als Bagatelle durchgeht.

Ein Beispiel: Hätte z.B. ein Seifenfabrikant, der ja gerne auch als neoliberal bezeichnet wird, mit Adbusting seine Handseife auf den Plakaten des Hans-Otto-Theater beworben (das hätte auch gut zu den Schmutzigen Händen gepasst), dann wäre das Theater wahrscheinlich klar dagegen vorgegangen (Urheberrecht verletzt, Werbekosten weiterberechnen, neoliberaler Bösewicht).

Zweitens: Der wesentliche Claim der Gruppe "Stadt für alle" ist: 

„Bleibt das Rechenzentrum als Symbol von Kreativität, Selbstbestimmung und Widerständigkeit oder entsteht die alte Garnisonkirche als Symbol für Militarismus, Krieg und Rechtsextremismus wieder?“

(Quelle:  http://potsdam-stadtfueralle.de/)

Das ist eine unlautere Darstellung eines Zusammenhangs, der gar kein Zusammenhang ist. Kreativität und Selbstbestimmung der Kultur steht nicht in Opposition zu oder in einem Zusammenhang mit Militarismus und Rechtsextremismus. Der konstruierte Zusammenhang bzw. der unlauter geframte Gegensatz ist ein links-ideologischer Tunnelblick mit anklagendem Charakter. Neudeutsch: Framing. Den Rechtsbruch dürfte die Intendantin nicht dulden und unterstützen. Als Privatperson schon, aber nicht als Intendantin des städtischen Theaters.

Die Diskussion geht in Potsdam einseitig gefärbt um den Gegensatz „das schöne, heilige Rechenzentrum, Epizentrum der Kultur, demokratischer Hort der Selbstverwirklichung“ und gleich daneben „das Böse schlechthin, nationalsozialistischer Kirchturm, Symbol des Militarismus, unterstützt von neoliberalen, revanchistischen Bösewichten“.

Beides ist stark überzeichnet, die Kontrahenten sollten durch Diskussion und Austausch einander näherkommen. Wenn das gut moderiert ist, dann schaffen wir das im gemeinsamen Diskurs.

Rechenzentrum (unsere Sicht)

Das Rechenzentrum ist ein Gebäude. Gebaut als Zweckbau der 70iger Jahre, heute nicht mehr wirtschaftlich sanierungsfähig, es ist kaum gedämmt und energetisch unverantwortlich. Es ist hässlich, im Inneren muffelt es nach maroder Kanalisation. Duldung bis Januar 2025 zu erwarten, danach aus rein zwingenden baurechtlichen und weiteren rechtlichen Gründen (GEG Gebäude Energie Gesetz) und eigentumsrechtlichen Gründen (Grundstück ist Eigentum der Stiftung Garnisonkirche) doch wahrscheinlich der Rückbau.

In dem Gebäude hat sich in den letzten 5 Jahren ein Gefühl entwickelt, ein Zusammenhalt, eine Identität. Die soll nicht gestört werden, sondern möglichst schonend in das neue Kreativquartier umziehen. Das ist demokratischer Wille und ein politisch breit getragenes Projekt. Das Gebäude geht, die Identität bleibt.

Garnisonkirche (unsere Sicht)

Die Garnisonkirche ist ein Gebäude. Erstmals gebaut 1730 auf Wunsch von Friedrich Wilhelm I. Die Garnisonkirche war ein Ort der rechtsstaatlichen Verfassung, Preußen war auf dem Wege zum ersten Rechtsstaat in Europa. 1809 Ort der Stadtverordnetenversammlung und Ort demokratischer Begegnung. Zu Beginn des aufkommenden deutschen Militarismus war die Garnisonkirche bereits gut 140 Jahre alt. Das Gebäude kann nichts für seine spätere Rolle als missbrauchte Leinwand.

Befürworter des Wiederaufbaus eint das Gefühl, für das Schöne der Stadt einzustehen. Das Schöne der Stadt ist das ursprüngliche barocke Stadtbild, Garnisonkirche, Nikolaikirche, Stadtkanal, Schloss Sanssouci, Stadtschloss, Alter Markt und die barocke Erweiterung. Das Schöne an Potsdam wird auch von Jugendlichen und jungen Erwachsenen als schön wahrgenommen.

Politische Kultur 2022 (auch unsere Sicht)

Interessant ist die neue Form der politischen Auseinandersetzung. Wir zur Demokratie Erzogenen und politisch Engagierten sagen: „Wenn Du etwas bewegen willst, dann mach bei einer politischen Partei mit“.

Das geht heutigen Jugendlichen aber zu langsam, sie wollen jetzt und hier. Schnell kommunizieren, schnell antworten, so schnell wie fast fashion, TikTok und sofort-Lieferdienst. Pizza in 5 Minuten aber unter 5 Euro. Das führt zu Ansichten wie „Politik ist lähmend langsam“ macht demokratische Meinungsbildung uncharmant. Schneller geht’s mit Aktivismus. Ich bin gegen Klima, zack Kartoffelbrei. Ich will, dass ihr nachdenkt, zack, aufs Rollfeld am BER festgeklebt. Ich will Rechenzentrum und keine Garnisonkirche, keine langatmige Diskussion, zack, Adbusting.

Wir müssen uns fragen, ob unsere demokratische, auf Konsens und Abwägung ruhende Meinungsfindung zu öde ist, zu altmodisch, zu zäh. Ist die politische Kultur der Parteien nicht mehr zeitgemäß? Darf man, wenn man einer gewissen Meinung ist, diese mit allen Mitteln, auch Gewalt und jenseits des Rechts erzwingen bzw. andersdenkenden aufzwingen?

Die Garnisonkirche war der Ort der ersten Stadtverordnetenversammlung in Potsdam. 60 Stadtverordnete vertraten dort erstmals die politischen Ideen und Forderungen der damals 18.000 Potsdamerinnen und Potsdamer. Sie festigten die Politik der kommunalen Selbstverwaltung, die Sozialpolitik, die Unterstützung der Armen, die Gewerbepolitik etc. 

Heute fordern (linke) Aktivisten "zivilen Widerstand" gegen den Neuaufbau der Garnisonkirche. 

Diskutieren wir darüber.